28. April 2016

alt

"Du siehst aber viel jünger aus." 
"Du siehst toll aus für dein Alter." 
"Du wirkst viel jünger als du bist".
"Du hörst dich so jung an!"

Denkt mal über die versteckte Botschaft in diesen beliebten - und begehrten - Komplimenten nach:

Als ob das Alter per se etwas Schlechtes wäre. Etwas Unansehnliches, Unerwünschtes. Und als ob das Erstrebenswerteste für einen nicht mehr jungen Menschen sein müsste, sein wahres Alter zu kaschieren.

Geht's noch?  

Ich werde dieses Jahr 64. "Das ist ja noch nicht alt" werden die einen sagen, und "was, schon so alt?" die anderen - je nach eigenem Alter. Ich jedenfalls würde keinen Tag hergeben - jeder einzelne gehört zu mir, hat mich zu dem gemacht, was ich bin, und ich bin Dem, Der sie mir geschenkt hat, dankbar dafür, auch für die schweren davon. Besonders für die schweren davon - denn im Rückblick sind es genau diese, die mich am meisten gelehrt haben. 

Ja, ich möchte gerne in Würde alt sein dürfen und zwar, ohne jung aussehen zu müssen. Ich finde es schrecklich, dass "alt" praktisch ein Schimpfwort ist. Der Gegensatz zu neu: Abgenutzt, verbraucht, nichts mehr wert, ausrangiert. Dabei kann in "alt" so viel Positives drin sein! Lebenserfahrung, Gelassenheit, Geduld, Wissen, Heiterkeit, Liebe - bei manchen sogar ein klein wenig Weisheit.

Übrigens habe ich für diesen Beitrag nach gescheiten Sprüchen zum Thema "alt" gesucht. Offenbar jedoch findet man für dieses Wort seit dem Altertum fast nur im Zusammenhang mit Wein und Antiquitäten wirklich positive Verwendung... 

Einen schönen Spruch habe ich immerhin gefunden:

"Das Alter hat die Heiterkeit dessen, der eine lange getragene Fessel los ist und sich nun frei bewegt." (Arthur Schopenhauer)

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